Kunst wird gemeinhin mit Wahrheit assoziiert: »Dem Wahren Schönen Guten«, lautet die Inschrift im Giebel der 1880 von dem Architekten Richard Lucae fertig gestellten Frankfurter Oper. Die Begriffs-Trias wird gerne auf Johann Wolfgang von Goethes »Epilog zu Schillers Glocke« von 1805 zurückgeführt, wo das »Ewige des Wahren, Guten, Schönen« mit den Künsten assoziiert wird. Tatsächlich aber trifft man bereits in der Antike das Konzept der »Kalokagathia«, wörtlich: der »Schön- und Gutheit«, an. Ist Kunst aber immer »wahr«, »schön« und »gut« bzw. in welchem Sinn ist sie dies und kann sie dies überhaupt sein? Thomas von Aquin zufolge ist etwas wahr, wenn es mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Diese erscheint aber nicht immer »schön« – widersprechen also nicht mindestens schon »Wahrheit« und »Schönheit« einander? Und welche Rolle kann der Kunst dann in einem solchen Spannungsfeld zukommen, das zudem noch durch das Phänomen der Kunstfälschung verschärft wird, bei dem Künstlerinnen und Künstler Werke als etwas ausgeben, das sie gar nicht sind: Da diese Fälschungen oft »Schönheit« als Mittel der Täuschung für betrügerische Zwecken einsetzen, geraten das »Schöne«, »Wahre« und Gute scheinbar vollends in Konflikt. Müssen wir uns also von der Wahrheit der Kunst verabschieden oder gibt es nicht doch Lösungen? H.K.
© KUM Universität Heidelberg,
Henry Keazor
Henry Keazor ist seit 2012 Professor für Neuere und Neueste Kunstgeschichte an der Universität Heidelberg. Forschungsschwerpunkte sind Französische und italienische Barockmalerei, zeitgenössische Architektur, Bildende Kunst und deren Rezeption – siehe dazu u.a.: Raffaels »Schule von Athen«: Von der Philosophenakademie zur Hall of Fame (2021). Zudem beschäftigt er sich mit dem Phänomen der Kunstfälschung in Lehre und Forschung. Hierzu erschienen sind von ihm u.a. (zusammen mit Tina Öcal): Der Fall Beltracchi und die Folgen. Interdisziplinäre Fälschungsforschung heute (2014) sowie Täuschend echt! Eine Geschichte der Kunstfälschung (2025).
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Die Vortragsreihe:
Die Wahrheit der Kunst in Zeiten der Täuschung
Literaten und Künstler galten seit der Antike als visionäre Seher, aber auch als Betrüger und Täuscher. Von Homer bis Platon wurden Dichter als Lügner bezeichnet, und die Kunstfertigkeit des Malers Zeuxis sollte die Anekdote belegen, dass die Vögel an den Trauben auf einem von ihm gemalten Bild pickten. Die Kunst, das Auge zu täuschen, »trompe l’œil«, zieht sich in vielen Formen durch die Jahrhunderte. Dieser Sicht steht die Vorstellung gegenüber, dass Kunst eine Wahrheit vermittelt, die nicht mit den Wahrheiten der Wissenschaften oder des Alltags korrespondieren müsse, Kunst sei eine eigene Form der Erkenntnis beziehungsweise des Vollzugs von Wahrheit. Bildende Kunst, Literatur, Theater, Oper oder Film eröffnen demnach im Rahmen von Fiktion und Vision einen Zugang zu einer den Kunstwerken immanenten, durch menschliche Kreativität aufgezeigten Wahrheit.
Mit KI und Deepfake sowie in Zeiten »alternativer Fakten« und Postfaktizität müssen die Fragen nach Wahrheit und Täuschung der Kunst neu gestellt werden. Künstliche Intelligenz schreibt inzwischen Romane, malt Bilder und produziert Fotografien sowie Filme, die schon jetzt vielfach nicht mehr als Produkte von Maschinen erkannt werden können. Die Bayerische Akademie der Schönen Künste, zu deren Aufgaben Pflege und Förderung der Künste zählen, geht diesen Fragen in einer neuen Vortragsreihe nach. Welche Wahrheit hat Kunst bislang vermittelt und wie steht es damit heute? Gehen geläufige Formen einer Wahrheit der Kunst verloren? Müssen wir uns an KI-Kunst nur gewöhnen und andere Formen von Kreativität oder Authentizität akzeptieren? Aus dem Blickwinkel von Philosophie, Kunst und Literatur, von Theater, Fotografie, Architektur, Informatik und Mathematik werden Thematik, Probleme und Bedeutung einer Wahrheit der Kunst in Zeiten der Täuschung beleuchtet.
Der Eintritt zu der Veranstaltung ist frei, eine Anmeldung nicht erforderlich. Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass unser Platzangebot begrenzt ist. Daher werden eine Stunde vor Beginn der Veranstaltung am Haupteingang der Residenz, Max-Joseph-Platz 3, Platzkarten vergeben.