Mathematische Verfahren der Bildverarbeitung und künstlichen Intelligenz erschließen heute nicht nur die sichtbare Welt, sondern rekonstruieren sie – in drei und vier Dimensionen, als Raum, Zeit und Bewegung. In der Forschung von Daniel Cremers werden aus fotografischen Spuren und Videosequenzen vollständige Modelle der Wirklichkeit gewonnen: digitale Nachbildungen, in denen sich Geometrie, Licht und Bewegung zu einer messbaren Wahrheit verdichten.
Gleichzeitig entstehen mit den Mitteln der generativen KI Welten, die nie existiert haben, Bilder und vierdimensionale Welten, die sich jeder Herkunft entziehen. Die Maschine wird zum Mit-Schöpfer, zur Instanz, die aus den Mustern des Realen neue Möglichkeiten formt – und damit das Verhältnis von Wahrnehmung, Erinnerung und Erfindung grundlegend verschiebt. Doch wenn Algorithmen beginnen, selbst zu imaginieren – wer entscheidet dann noch, was wahr ist? D.C.
© Eckert & Heddergott / TUM,
Daniel Cremers
Daniel Cremers ist Professor für Informatik und Leiter des Lehrstuhls für Computer Vision und Künstliche Intelligenz an der TU München. Seine Forschung verbindet Mathematik, maschinelles Lernen und Bildverarbeitung, um die sichtbare Welt in drei und vier Dimensionen zu rekonstruieren und zu verstehen. Mit Arbeiten zur geometrischen Rekonstruktion, Optimierung und generativen KI zählt er zu den international führenden Forschern seines Fachs. Seine Projekte zeigen, wie algorithmische Verfahren zugleich Erkenntnisinstrumente und schöpferische Akte künstlerischer Wahrnehmung werden.
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Die Vortragsreihe:
Die Wahrheit der Kunst in Zeiten der Täuschung
Literaten und Künstler galten seit der Antike als visionäre Seher, aber auch als Betrüger und Täuscher. Von Homer bis Platon wurden Dichter als Lügner bezeichnet, und die Kunstfertigkeit des Malers Zeuxis sollte die Anekdote belegen, dass die Vögel an den Trauben auf einem von ihm gemalten Bild pickten. Die Kunst, das Auge zu täuschen, »trompe l’œil«, zieht sich in vielen Formen durch die Jahrhunderte. Dieser Sicht steht die Vorstellung gegenüber, dass Kunst eine Wahrheit vermittelt, die nicht mit den Wahrheiten der Wissenschaften oder des Alltags korrespondieren müsse, Kunst sei eine eigene Form der Erkenntnis beziehungsweise des Vollzugs von Wahrheit. Bildende Kunst, Literatur, Theater, Oper oder Film eröffnen demnach im Rahmen von Fiktion und Vision einen Zugang zu einer den Kunstwerken immanenten, durch menschliche Kreativität aufgezeigten Wahrheit.
Mit KI und Deepfake sowie in Zeiten »alternativer Fakten« und Postfaktizität müssen die Fragen nach Wahrheit und Täuschung der Kunst neu gestellt werden. Künstliche Intelligenz schreibt inzwischen Romane, malt Bilder und produziert Fotografien sowie Filme, die schon jetzt vielfach nicht mehr als Produkte von Maschinen erkannt werden können. Die Bayerische Akademie der Schönen Künste, zu deren Aufgaben Pflege und Förderung der Künste zählen, geht diesen Fragen in einer neuen Vortragsreihe nach. Welche Wahrheit hat Kunst bislang vermittelt und wie steht es damit heute? Gehen geläufige Formen einer Wahrheit der Kunst verloren? Müssen wir uns an KI-Kunst nur gewöhnen und andere Formen von Kreativität oder Authentizität akzeptieren? Aus dem Blickwinkel von Philosophie, Kunst und Literatur, von Theater, Fotografie, Architektur, Informatik und Mathematik werden Thematik, Probleme und Bedeutung einer Wahrheit der Kunst in Zeiten der Täuschung beleuchtet.
Der Eintritt zu der Veranstaltung ist frei, eine Anmeldung nicht erforderlich. Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass unser Platzangebot begrenzt ist. Daher werden eine Stunde vor Beginn der Veranstaltung am Haupteingang der Residenz, Max-Joseph-Platz 3, Platzkarten vergeben.