Den jungen Krefelder Uwe Kiessler führte im Jahr 1956 das Studium der Architektur an die Technische Hochschule München. Seiner gewählten Heimat hielt er lebenslang die Treue. Welch großes Glück für die Stadt München.
Schon bald nach seinem Diplom gründete er zusammen mit Manes Schultz sein Architekturbüro und konnte bereits wenige Jahre später mit dem Gewinn des Architekturwettbewerbes der neuen Staatskanzlei am Münchner Hofgarten auf seine Haltung aufmerksam machen: den konkreten Ort reflektierend und einem optimistischen Zukunftsbild folgend. Selbst wenn diesem Projekt die Realisierung nicht gegönnt war, so vermochte es Uwe Kiessler, der Stadt München – und nicht nur dieser – einige der besten Häuser der Nachkriegszeit zu schenken: die Rundbauten für die Münchner Rückversicherung am Rand des Englischen Gartens, das Rischarts Backhaus im Glockenbachviertel, die Überbauung eines ehemaligen Schulgebäudes, mit dem er das Literaturhaus am Salvatorplatz zu einem kulturellen Wahrzeichen der Stadt machte, oder die Umwandlung eines unterirdischen Leerraumes in den Kunstbau des Lenbachhauses.
Uwe Kiessler folgte 1990 dem Ruf an die Technische Universität München und begründete dort seine Lehre des „Integrierten Bauens“, in der er Architektur als ganzheitlichen Eingriff in ein komplexes Gefüge vermittelte. Beispiele anonymer Architektur, ebenso wie zukünftiger Technologien oder Felder der bildenden Kunst galten gleichermaßen der Veranschaulichung des empfindlichen Gleichgewichts zwischen formalen, funktionalen und gesellschaftspolitischen Aspekten des vom Städtebau bis ins Detail durchdrungenen architektonischen Entwurfs. Uwe Kiessler begeisterte Generationen von Studentinnen und Studenten im Diskurs zwischen Utopie und Wirklichkeit, zwischen ephemerer Idee und der Begrenztheit des Seins, zwischen „schöpferischer Zerstörung“ und behutsamem Erhalt des Vorhandenen. Er war nahbar und unvoreingenommen und deswegen äußerst geschätzt.
Gleichwohl war er bestimmt. Liebenswürdig, aber unbeirrbar. Er war es, der mahnte gegen Abrisse und damit Verluste von Gebäuden, die Zeitzeugen des von Jürgen Habermas so genannten „unvollendeten Projekts der Moderne“ waren. Das Schwarze Haus in der Altstadt Münchens etwa, oder die Osram Hauptverwaltung. Er war es, dessen klugem Engagement wir den Erhalt des Olympiastadions verdanken.
Die Bayerischen Akademie der Schönen Künste trauert um ihr Mitglied Uwe Kiessler.
Dietrich Fink